Alice im Wunderland 3D Review
Laufzeit: ca. 108 Minuten
Genre: Fantasy-Abenteuer
Regie: Tim Burton
Darsteller: Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway
Gesehen auf: Deutsch
Erscheinungstermin: 04. März 2010
Inhalt:
Die junge Alice hatte keine einfache Kindheit. Ihr Vater starb früh und seit sie denken kann, wird sie vom selben Traum verfolgt, der ihr bizarre Kreaturen darbietet. Als sie vor dem Heiratsantrag eines einflussreichen Lords flüchtet, folgt sie einem merkwürdigen weißen Kaninchen, woraufhin sie in ein tiefes Loch fällt, dass sie geradewegs in eine Welt führt, die ihren Träumen nicht ähnlicher hätte sein können.
Kritik:
»Löffel!«
Ich kann Tim Burton nicht ausstehen und ich halte weniger als nichts von seinem angeblich so brillanten Stil. Meiner Meinung nach hat er »Batman« und
»Batmans Rückkehr« in den Sand gesetzt und auch Animationsfilme wie »Nightmare On Christmas« oder »Corpse Bride« stoßen mir allein schon von der Optik sauer auf, wussten mich aber auch inhaltlich nicht zu überzeugen. Nun war heute der lang erwartete Alice-Tag, an dem ich mir zunächst Disneys »Alice im Wunderland« zu Gemüte führte und anschließend für den direkten Vergleich »Alice im Wunderland 3D« besuchte. Sinn und Zweck der Übung sollte eine einwandfreie Vergleichsbasis werden, mit der ich Burtons Werk noch besser zermalmen könnte, doch überraschenderweise wurde der Spieß umgedreht: Nun zermalme ich die Version von Disney und preise das Werk von Burton.
Es ist schon beinahe falsch von Versionen zu reden, denn es handelt sich keineswegs um dieselbe Geschichte. Ich hab fest damit gerechnet, dass Burton seine eigenen Ideen den Vorgaben vorzieht, aber dass der Film im Enddefekt nicht mal ein Remake wurde, hat mich durchaus (positiv) überrascht. »Alice im Wunderland« ist kein Remake, es ist eine Fortsetzung unter Berücksichtigung einer völlig neuen Interpretation der Geschichte. Das merkt man schnell, als u.a. das weiße Kaninchen Alice bereits beim Namen nennt und die Figuren von ihrem „letzten Besuch“ sprechen.
»Alice im Wunderland« als Zeichentrickfilm gehörte nie zu meiner Kinderstube. Natürlich bin auch ich mit Disney Filmen aufgewachsen, allerdings lediglich mit denen, die in den 90ern noch zum guten Standard gehörten: »Der König der Löwen«, »Aladdin«, »Das Dschungelbuch«. Mit Alice wurde ich das erste Mal wirklich konfrontiert, als ich das Wunderland in meinem Lieblingsvideospiel
Kingdom Hearts erreichte – eine der von mir am meisten verhasstesten Welten im Game übrigens. Seither hatte ich mir fest vorgenommen den entsprechenden Film zu sehen, aber bis heute gab es keine dringende Veranlassung dazu. Nun habe ich ihn gesehen und bin außerordentlich enttäuscht. Umso besser, dass Burtons Film mein Vertrauen in die Filmindustrie wiederhergestellt hat.
Der Film unterscheidet sich trotz derselben Figuren deutlich von dem gleichnamigen Zeichentrickfilm, in nahezu jeglicher Hinsicht, was ihn gleichzeitig auch zeitgemäßer und massentauglicher macht. »Alice im Wunderland« ist kein (reiner) Kinderfilm mehr, denn wie man es von Burton gewohnt ist, hat alles einen viel ernsteren Touch bekommen, allerdings auch ohne ein gesundes Maß an Humor zu verlieren. Wie ich erst kürzlich bei »Shutter Island« wieder bemerkte, funktionieren Filme für mich nicht, in denen mir sämtliche Hauptfiguren schlichtweg unsympathisch sind. Ein derartiger Fakt kann mir einen ganzen Film vermiesen, aber »Alice im Wunderland« lebt von seinen Figuren! Das tat auch der Film von Disney, allerdings bekam man dort nie wirklich die Gelegenheit eine Figur liebzugewinnen. Hier sieht das schon ganz anders aus, denn sämtliche Figuren werden ausführlich behandelt und haben Auftritte im genau richtigen Maß, was sie überaus liebenswert macht. Es gibt eine Reihe neuer Figuren, aber abgesehen von der weißen Königin und der ausgebauten Rolle des Buben bilden die altbekannten Gestalten erneut das Zentrum, allesamt im neuen und deutlich besseren Gewand. Die Grinsekatze, vor allem auch der geniale Märzhase, die Haselmaus, Diedeldum und Diedeldei, der Dodo, die Kartensoldaten, die Herzkönigin und die Raupa Absolem. Den deutlichsten Wandel macht aber eindeutig die Figur des Verrückten Hutmachers durch, gespielt von Johnny Depp, die sich kurzum zur männlichen Hauptrolle entwickelt hat und somit eine weit größere Bedeutung bekommt, als ihre sinnlose Entsprechung im Disney Film. Überhaupt waren sämtliche Figuren im Zeichentrickfilm nutzlos, denn sie brachten die Handlung nicht voran, bildeten nur Stationen auf dem Weg zum Abspann. Hier spielt jede Figur ihre Rolle, taucht öfter auf und hat durchaus auch Sinn und Nutzen im Rahmen der Handlung.
Die einzigen Figuren, die mir bewusst als fehlend aufgefallen sind, waren der sprechende Türknauf und der Herzkönig, dessen Verbleib allerdings erklärt wird. Das sprechende Ei Humpty Dumpty findet sowohl in dieser Version, als auch in der von Disney keinen Auftritt.
Ich könnte mich spontan nicht mal wirklich dazu entschließen, welchen Charakter ich zu meinem Liebling küren würde, denn trotz Voreingenommenheit gewann ich jeden einzelnen davon lieb. Johnny Depp als Hutmacher, dessen Make-Up im von mir verachteten Stil von »Charlie und die Schokoladenfabrik« gehalten wurde, war von Beginn an sympathisch und auch seine Aufmachung wirkte in keiner Sekunde fehl am Platz. Sogar Alice, gespielt von der australischen Newcomerin Mia Wasikowska überzeugte, obwohl ich gerade ihr am skeptischsten gegenüberstand. Der Eindruck hielt den ersten Minuten des Filmes auch noch stand, wo sie so blass war, dass man meinen könnte, sie spielt einen Zombie. Burton empfindet das offenbar als ästhetisch, denn blasse Hauptfarben spiegeln sich auch in anderen seiner Filme wieder, vor allem sehr deutlich in »Corpse Bride«. Ich finde derartiges eher abstoßend, aber das ist letztlich noch Geschmackssache. Im Übrigen kann damit auch die Darstellung eines kränklichen Zustandes beabsichtigt gewesen sein, die Spekulationen darüber zulassen würde, ob es sich beim Wunderland um die Folge psychischer Labilität handelt. Was auch immer, im weiteren Verlauf bekommt sie immerhin ein wenig Farbe (die soll wirklich aus Australien kommen?) und ich muss zugeben, dass sie ab dann einen wirklich hübschen Eindruck macht.
Sogar Helena Bonham Carter, die ich absolut nicht ausstehen kann und die sich als Burtons Lebensgefährtin in jeden seiner Filme reindrängt, gefiel mir in ihrer Rolle als Herzkönigin. Auch fand ich den Knirps mit dem aufgeblasenen Kopf wesentlich interessanter, als die bullige Version der Figur im Disney Film. Carter muss wohl einfach die Böse spielen, bei »Harry Potter« ging das immerhin auch einigermaßen gut.
Ich freue mich auch schon auf das DVD-Release, nach dem ich mir den Film auch im Original anschauen werde um die Synchronstimmen von Martin Sheen und Alan Rickman zu genießen. Auf der anderen Seite muss man sich aber auch wieder für die deutsche Synchronisation aussprechen, die wirklich mehr als gelungen ist. Vor allem die deutsche Originalstimme von Jonah Hill für Tweedledee und seinen Bruder zu benutzen entpuppte sich als überaus passend und ich möchte fast sagen wohltuend.
Wenn man also den Zeichentrickfilm sieht, der quasi keine Handlung hat und anschließend ein Remake dessen erwartet, wird man von der Geschichte dieses Films völlig überrumpelt. Sie wird rasant und spannend erzählt, verläuft sinnvoll und nachvollziehbar und mündet in ein großes Finale. Eine Kollegin von mir meinte nach dem Kinobesuch, der Film sei „schon fast
»Herr der Ringe«“ und obwohl das natürlich eine maßlose Übertreibung war, könnte man mit dem Kontrast zum Zeichentrickfilm fast zustimmend nicken. Wie gesagt, alles ist deutlich ernster gestaltet, die Kartensoldaten wirken sogar tatsächlich bedrohlich, es gibt gefährliche, wilde Kreaturen, die Alice verletzen (wollen) und alles läuft auf eine finale Schlacht mit zwei Fronten hinaus. Wenn man das hört, kann man das durchaus als höchst unpassend erachten, aber wenn man den Film sieht sollte dieser Eindruck sofort verfliegen, denn Burton erzählt die Geschichte von Alice in einer wesentlich erwachseneren Form, nicht zuletzt auch, weil Alice inzwischen erwachsen geworden ist. Verdeutlicht wird das vor allem beim Schrumpfen und Wachsen durch Trank und Kuchen, wo entgegen der Zeichentrickversion Alices Klamotten sich nicht anpassen und sie sich somit in der ein oder anderen peinlichen Situation gezwungen sieht, ihre Blöße zu bedecken.
Das einzige, das mich nicht vollauf überzeugt hat, war das Finale, da es irgendwo nichts wirklich Besonderes war und schon fast in Richtung 08/15 ging. Dennoch ein Feuerwerk fürs Auge.
Ich kann mich ansonsten wirklich nur wieder und wieder für die Interpretation und Umsetzung dieses Wunderlandes, teilweise schon ziemlich postapokalyptisch gehalten, aussprechen. Ich bin kein Fan von Burton, aber für dieses Werk muss man den Mann einfach beglückwünschen, denn es ist unmittelbar nach
»Big Fish« sein bisher mit Abstand bestes.
Ich werde mich an dieser Stelle gar nicht weiter über Humor und Effekte auslassen, denn beide sind vorhanden, in angemessener Quantität und überaus überzeugender Qualität. Sogar meine Mutter, die man eigentlich gar nicht für Fantasy begeistern kann, schon gar nicht in dieser Form, war angetan von dem Film und sie meinte auch, der Hutmacher wäre die erste von Depps Rollen gewesen, die ihr gefiel. Meiner fachkundigeren Meinung nach steht sie Jack Sparrow noch deutlich nach, aber ist auch irgendwo dahinter angesiedelt. Großartige Besetzung, gelungene Regie, schlichtweg geniale Neuinterpretation mit ebenso gelungenem Intro und Outro vor und nach dem Besuch im Wunderland, die nicht mit einer schwammigen Moral aufwartet wie „sei nicht zu neugierig“. Sollte man sich definitiv ansehen, wird eines der Highlights dieses Jahr.
Als Anmerkung muss ich allerdings sagen, dass der 3D-Effekt im Gegensatz zu
»Avatar« ziemlich überflüssig war. Das Geld hätte man sich definitiv sparen können.
Bewertung:
Darsteller: 9/10
Plot: 8/10
Effekte: 9/10
Anspruch: 3/10
Gesamteindruck: 8/10 (eine sehr sehr gute)