Lost Horizon Review
Spielzeit: ca. 7 Stunden
Genre: Point & Click Adventure
Gespielt auf: Deutsch
Erscheinungstermin: 20. August 2010
Inhalt:
Der unehrenhaft aus dem Dienst ihrer Majestät entlassene Fenton Paddock, bekommt vom Gouverneur in Hong Kong den Auftrag seinen bei einer Expedition in Tibet verloren gegangen Sohn und Paddocks besten Freund wiederzufinden. Noch ahnt niemand, dass hinter der Suchaktion ein unglaubliches Abenteuer voller Magie und Nazis steckt.
Kritik:
»Du hältst dich für einen ganz tollen Kerl, was, Fenton Paddock?«
»Du doch auch?«
Das Spiel wurde auf der diesjährigen Gamescom vorgestellt und auch, wenn ich es nicht angespielt habe, verspürte ich vor ein paar Tagen den Drang es auszuprobieren. Eigentlich liegen mir Point & Click Adventures nicht sonderlich, doch hatte ich auch ein paar wirklich herrliche Momente mit
»Discworld« und »Monkey Island«, was in erster Linie auf deren Humor zurückzuführen ist.
Dieser Faktor ist in »Lost Horizon« leider quasi non-existent. Natürlich liegt das auch irgendwo am markantesten Unterschied zwischen diesem und den oben genannten Adventures, dem Grad des Realismus. Während »Monkey Island« und
»Discworld« in farbenfrohem Comic-Stil gehalten sind und dessen Möglichkeiten voll ausnutzen, so versucht sich »Lost Horizon« eher am Realistischen. Die Figuren sind in 3D gestaltet und ähneln einem richtigen Menschen erheblich mehr als ein Guybrush Threepwood und Konsorten und auch die Umgebungen sind strikt real gehalten.
Ich muss sagen, dass mir der Humor wirklich gefehlt hat, vor allem, da es ein essentieller Faktor in meinen bisherigen Point & Click Erfahrungen war. Es muss ja nicht gleich in den extremen Stil gehen, indem man gepfählte Skelette findet und diese mit „Shishke-Bob“ benennt, aber ein paar amüsante Kommentare beim Untersuchen der Umgebung dürfen es doch stets gerne sein (Discworld: »Eine robuste Eichentür. Entweder das oder eine verblüffend realistische Tapete.«). Hauptfigur Fenton Paddock scheint mir vorsichtig in diese Richtung entwickelt worden zu sein, doch letztlich ist er noch um einige Ecken weniger unterhaltsam als man befürchten könnte. Überhaupt ist er ein typischer 08/15-Held, der weder ein markantes Äußeres noch irgendwelche besonderen Eigenarten aufweist, was ihn doch ziemlich uninteressant macht.
Für die Nebenfiguren gilt ähnliches. Die böse Nazi-Gräfin ist auch die Standardausführung dieses Figurentyps, bringt keinerlei Überraschungen auf den Plan, genau wie der um seinen Sohn besorgte Gouverneur in seinem schicken Büro. Einzig tritt die junge Kim etwas hervor, die stellenweise als Paddocks Begleiterin und Hilfe agiert und einen wunderbaren, sarkastischen Unterton ihr Eigen nennt. Leider Gottes ist auch der zu unkreativ verarbeitet um einen zum Schmunzeln zu bringen. Figurentechnisch versagt das Spiel also auf ganzer Linie.
Was die Story angeht, machen die Entwickler aber wieder einiges gut. Die Indiana-Jones-like-Story ist definitiv interessant und spannend und die abwechslungsreichen Schauplätze auf der ganzen Welt lassen auch keine Eintönigkeit aufkommen. Ich will nicht sagen, dass man nicht nahezu alles vorhersehen kann, aber wenn man sich auf die Geschichte einlässt und nicht zu viel hinterfragt, kommt man gut mit ihr und den paar kleinen Logiklöchern zurecht.
Ein eindeutiger Fortschritt zu Adventures wie den beiden oben genannten ist definitiv die Spielmechanik. Am meisten gestört haben mich ja stets die ewigen Suchen durch dutzende Schauplätze, wenn man gerade keinen Plan hatte, wie es weitergehen sollte. Man hat eine ganze Palette voller Gegenstände, an die Fünfzig Personen oder Umgebungsobjekte mit denen man interagieren könnte und wenn die Ideen ausgehen bleibt einem nichts anderes übrig, als das zeitaufwändige Herumprobieren. Bei »Lost Horizon« ist das erheblich besser gelöst, denn so kann man hier bestimmte Bereiche gar nicht mehr verlassen, wenn noch nicht alles erledigt ist oder man kann Bereiche überspringen, in denen wiederum nichts mehr zu finden oder zu tun ist. Selbiges gilt für Objekte, die meist aus der Anzeige verschwinden, sobald sie keine Funktion mehr haben. Auch einige Kommentare wie »Hoffentlich habe ich hier unten nichts übersehen, das mir noch nützlich sein könnte.« ersparen einem einen lästigen Rückweg. Sehr nützlich ist auch die Funktion zum Anzeigen jeglicher Ortsobjekte zum Interagieren. Weit weniger nützlich, im Grunde genommen sogar überflüssig, ist die Funktion der Erzählstimme, die in zwei Sätzen die letzten Geschehnisse und die aktuelle Aufgabe zusammenfasst. Ich hätte anstelle dessen eher eine Hilfe-Funktion begrüßt, die mit einem Hinweis aufwartet, wobei selbst das im Grunde genommen überflüssig ist. Das Spiel ist wirklich nicht schwer und im Gegensatz zu
»Discworld« ist nahezu alles wirklich logisch und nachvollziehbar, vor allem das Kombinieren von Gegenständen und deren Anwendung. Selbst ich, als ungeduldiger Laie in diesem Genre habe lediglich zwei/drei Mal versagt und eine Lösung zurate gezogen, allerdings auch nur aufgrund simpler Ungeduld. Mit etwas Herumprobieren und Nachdenken wäre ich auch irgendwann darauf gekommen. Eine wirkliche Herausforderung findet sich also nicht.
Da es schon ein paar zwar kurze, aber durchaus ziemlich schicke Zwischensequenzen gibt, habe ich doch auf ein paar Quick-Time-Events gehofft, die einen doch etwas gefordert hätten, doch letztlich hatte man für jede Stelle, so dringlich sie in der Situation der Geschichte auch sein mochte, alle Zeit der Welt zum Nachdenken. Immerhin wurde das gewohnte Spielprinzip stellenweise durch Minispiele aufgelockert, wie das Zusammensetzen eines Puzzles oder das Zuordnen von Steckern aus einem Kabelsalat heraus. Es gibt in diesen Fällen sogar die Funktion den einfach oder den schweren Weg meistern zu müssen, doch selbst der schwere, den ich stets aus Unterforderung nahm, war nicht anspruchsvoller als ein entsprechendes Rätsel in Omas Rätselbuch.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir das Spiel definitiv Spaß bereitet hat, aber dass ich auch ziemlich enttäuscht darüber bin, es bereits nach weniger als einer Woche durchzuhaben. Das gilt zwar auch für »Pflanzen gegen Zombies«, das dieselbe Woche nicht überstanden hat, doch die Zombies bieten einem immerhin noch einen anspruchsvollen und umfangreichen BonusModus, wohingegen der von »Lost Horizon« lediglich drei Punkte umfasst: Das Anspielen der Urfassung, das früher zu Präsentationszwecken verwendet wurde, ein 30-Sekunden-Puzzle, das auf das nächste Spiel der Entwickler hinweist und das Wiederholen des Endkampfes, der mehrere Optionen für die Handlung darbot, sich allerdings auch nur über drei oder vier Runden erstreckte.
Die Story ist eines Adventures würdig und sticht die eher langweiligen Standard-Figuren bei weitem aus, auch wenn es für meinen Geschmack ein paar zu viele Zusammenfassungen gab. So liest (bzw. hört, wenn man sich die Zeit nehmen will) man sich einen ellenlangen Text über die komplizierteren Teile der Story durch, nur damit die Hauptfigur alles in einem nicht minder langen Text zusammenfasst. Muss wirklich nicht sein, so kompliziert ist das Ganze nicht… Wie gesagt, der Humor fehlt nahezu vollkommen und der Anspruch ist auch relativ gering, da man meistens nicht sehr lange überlegen muss, was zu tun ist und auch nicht viele Möglichkeiten zum Ausprobieren hat. An sich ist das sicher keine schlechte Sache, vor allem, wenn einen das ewige Suche frustriert, aber dann hätte man das Game doch deutlich länger machen müssen, Potenzial wäre sicher da gewesen.
Mir hat es gefallen und es war eben mal eine andere, modernere Erfahrung im Point & Click Genre, nichts desto trotz ziehe ich wohl die Klassiker vor und muss ehrlich sagen, dass von den beiden neuen Spielen diese Woche, so kurz sie auch beide sein mögen, »Pflanzen gegen Zombies« erheblich mehr begeistert und unterhalten hat. Und das soll etwas heißen.
Bewertung:
Spielspaß: 8/10 (Definitiv spannend und 0 frustrierend, allerdings auch nicht sehr anspruchsvoll)
Grafik: 7/10 (Die Umgebung ist sehr schick und auch die Videosequenzen wissen zu überzeugen, aber die Figuren könnten ruhig etwas detailreicher sein)
Charaktere: 2/10 (schwach, ganz schwach...)
Gesamt: 6.5/10 (Viel zu kurz, etwas zu leicht, humorlos, aber bietet immerhin einen ziemlichen Fesselfaktor)