Fletchers Visionen Review
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Genre: Actionthriller
Regie: Richard Donner
Darsteller: Mel Gibson, Julia Roberts, Patrick Stewart
Gesehen auf: Deutsch
Kinostart: 06. November 1997
Inhalt:
Der höchst paranoide Taxifahrer Jerry Fletcher sieht in jedem Zeitungsartikel eine Verschwörung höchster Ebene im schlimmstmöglichen Ausmaß. Natürlich stempeln ihn alle als einen Irren ab, bis er eines Tages entführt wird, weil er scheinbar doch auf etwas gestoßen ist…
Kritik:
Nach so vielen Jahren bin ich endlich mal dazu gekommen, den Film zu gucken, von dem ich immer dachte, dass er wie »Minority Report« aufgebaut wäre… den ich übrigens auch noch nicht gesehen habe. Was ist der Titel aber auch so irreführend – wer benutzt für Verschwörungstheorien schon das Wort Visionen? Naja, wie dem auch sei… Mel Gibson, also ganz klar ein Film, den ich mir irgendwann mal anschauen musste und dieser denkwürdige Augenblick traf gestern ein. Vorab gesagt: Der Film war spannend, keine Frage, auch schauspielerisch top, aber wirklich nichts Besonderes. Die Story hält sich von ihrer Qualität eher in Grenzen, es gibt einige Faktoren die etwas nerven, dafür aber wieder einige nette Ideen. Nun ja, ein Durchschnittsfilm eben, wie er im Buche steht. Und mit »Buche« meine ich »Fernsehzeitung«. Und mit »Fernsehzeitung« meine ich die von dieser Woche.
Nun… direkt das Intro hat mich etwas erschrocken, weil ich Mel Gibson noch nie so dermaßen viel in einer derart kurzen Zeit habe plappern sehen. Das hatte schon annähernd Robin Williams Niveau. Nur, dass es bei Letzterem nicht so schnell nervig wird und lustig ist. Das meiste, was Fletcher von sich gibt, ist nämlich keineswegs in irgendeiner Form amüsant und führt daher schon nach kurzer Zeit zu Brechreizen. Schön und gut, ein einsamer, paranoider Taxifahrer – sicher passt das Ganze ausgezeichnet zur Rolle, was aber leider nichts daran ändert, dass es einem einfach auf die Klötze geht. Das Bild aufgebessert haben dann ein paar Sprüche und Reaktionen Gibsons, die ebenso gut in »Was Frauen wollen« oder »Lethal Weapon« reingepasst hätten. Ebenso bot Julia Roberts als Stimme der Vernunft Balsam für die Nerven, auch wenn sie gar nicht so vernünftig war, wie es realistisch gewesen wäre. Für meine Maßstäbe hat sie sich viel zu früh von einem Irren umgarnen lassen und ihm blind vertraut, so gutmütig sie auch sein mag – das würde mit Sicherheit niemand machen, der nicht mindestens genauso irre ist wie Fletcher selbst. Apropos Fletcher… der Gute ist auch etwas extrem dargestellt, aber das ließ sich mit der Figur wohl nicht vermeiden. Er fährt den ganzen Tag Taxi, geht seinen Gästen (und mir) mit seinen Verschwörungstheorien auf den Keks, wenn er zuhause ankommt (immer auf einem anderen Weg, weil wegen paranoid und so), schließt er immer seine zig Schlösser an der Tür ab, stellt Sicherheitsvorkehrungen auf, will sich einen Kaffee machen und muss dafür auch wieder mindestens zwei Schlösser öffnen. Dann nimmt er den Batzen Zeitungen, den er gekauft hat, durchforstet sie nach Hinweisen für seine Verschwörungstheorien usw.. Aber ich bin schließlich nicht hier um eine komplette Charakterisierung des Protagonisten anzufertigen, ich wollte nur deutlich machen, dass ich ihn für etwas übertrieben gezeichnet halte. Außerdem ist er nicht wirklich gut gezeichnet, sein Charakter variiert für meinen Geschmack viel zu sehr. Auf der einen Seite ist er in gewissen Situationen zurückhaltend, dann wieder extrovertiert wie Casanova himself. Er ist ein einfacher Taxifahrer, behält in Extremsituationen aber einen relativ kühlen Kopf und setzt schon fast Actionheldmäßige Aktionen ein. Er ist misstrauisch und paranoid wie kein anderer Mensch der Welt, aber in einigen Situationen doch wieder so dermaßen unvorsichtig, dass sich die beiden Bilder heftig beißen. Plus einige Kleinigkeiten. Patrick Stewart als Bösewicht war zwar mal etwas anderes, aber nichts Besonderes, das eine ausführliche Analyse verdienen würde. Als Prof. Xavier oder Cptn. Picard hat er deutlich besser überzeugt.
Wie dem auch sei, die Story hat so ihre Höhen- und Tiefflüge. Ich vermag eigentlich kaum zu sagen, was besonders gut und was eher schlecht war, da ich mir bei einigen Logiklücken nicht genau sicher bin, ob es wirklich welche sind. Bei über zwei Stunden geballtem Spielfilm darf die Konzentration und Aufnahmefähigkeit schon mal nachlassen. Vor allem in meinem Alter. Im Großen und Ganzen würde ich aber sagen, dass sich alles irgendwo und irgendwie wieder ausgleicht und gerade dadurch der unbedeutende Durchschnitt zustande kommt. Die anhaltende Spannung ist dem Film hoch anzurechnen, das vorhersehbare Ende wiederum abzuziehen und so könnte man es mit nahezu allen Faktoren machen. Am meisten gestört hat mich dieses Programmier-Getue, von dem die Bourne-Macher sich wohl inspiriert haben lassen. Nicht, dass es eine schlechte Idee gewesen wäre, aber es passte einerseits so gut wie gar nicht rein und zudem wurde es als derart läppischer Nebenstrang abgehandelt, dass man es wirklich einfach hätte raus lassen und den Film um 10 Minuten kürzen können.
Die Regie hat einen guten Job gemacht und viele der Szenen großartig dargestellt und die Musikuntermalung… nun, darüber lässt sich streiten. Für einen Thriller dieser Art waren mir die Melodien häufig viel zu fröhlich und ausgelassen und erinnerten zu sehr an eine Actionkomödie. Die ultimativ Düster-Mucke hätte jetzt auch nicht ihren Zweck erfüllt, aber ein gesunder Mittelweg ist doch immer die sicherste Straße.
Also mal wieder ein gesunder Durchschnittsfilm, dessen Niveau durch das Staraufgebot, die anhaltende Spannung, gute Action und einigen guten Ideen gehoben wird. Definitiv aber nichts, von dem man sich sehr viel erwarten sollte und im Grunde genommen auch nichts, das man gesehen haben muss.
Bewertung:
Darsteller: 6/10 (Mel Gibson schafft es ab und an zu nerven und Stewart ist nichts Besonderes)
Plot: 5/10 (hat seine Macken, aber kann Spannung halten)
Effekte: 8/10 (nichts dran auszusetzen)
Anspruch: 5/10 (wirklich wach sein und aufpassen muss man nicht, entgegen meiner Erwartungen)
Gesamteindruck: 6/10