Sherlock Holmes Review
Laufzeit: ca. 128 Minuten
Genre: Actionkrimi
Regie: Guy Ritchie
Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law
Gesehen auf: Deutsch
Erscheinungstermin: 28. Januar 2010
Inhalt:
Meisterdetektiv Sherlock Holmes sieht sich gleich zwei Problemen gegenüber: Zum einen steht der kürzlich von ihm geschnappte und anschließend hingerichtete Mörder Lord Blackwood wieder von den Toten auf und stiftet Panik wie Verwirrung, zum anderen gedenkt sein treuer Gehilfe Dr. Watson zu heiraten und Holmes‘ Ermittlungen fortan ihm selbst zu überlassen.
Kritik:
»Warum bist du immer so misstrauisch?«
»Soll ich dir chronologisch antworten oder alphabetisch?«
Zugegeben, der Film hat mich anhand des Trailers überhaupt nicht überzeugt. Wie die meisten Stimmen, denen die Figur Sherlock Holmes irgendwie vertraut ist, sprach auch die meine ihre pure Skepsis darüber aus, dass etwas mit so viel Action und Explosionen tatsächlich etwas mit der legendären Romanfigur zu tun haben könnte. Im Laufe der Wochen änderte sich meine Meinung aber zusehends, meine Sympathien für Robert Downey Jr. und meine Neugier überwiegten und ich freute mich förmlich darauf, den Film endlich zu sehen und heute Abend – oder viel mehr Nacht – ging ich dieser Vorfreude nach.
Man tut dem Film Unrecht, wenn man ihn als Gegenstück der Romanvorlage bezeichnet. Natürlich, Poes berühmte Figur ist eigentlich deutlich älter und das Lösen ihrer Rätsel hängt eher selten mit Schießereien, Schlägereien und Explosionen zusammen, aber das ist lediglich die Anpassung, die getätigt werden musste, um die Geschichten der heutigen Welt in Filmform zugänglich zu machen.
Ich bin kein Experte, was die Sherlock Holmes Literatur betrifft, ich besitze lediglich ein Band mit mehreren kurzen Geschichten des Detektives und dieses habe ich nicht mal bis zu Ende gelesen und doch habe ich ein ausgezeichnetes Bild von der Figur bekommen, die ihre geniale Eigenart lediglich in jeder Geschichte wiederholt. Und jeder, der diese Eigenart kennt, wird so ziemlich alle Macken des Romanhelden in seiner Filmvariante wiedererkennen und zwar hervorragend inszeniert. Tatsächlich schien mir lediglich der starke Drogenkonsum (Opium, wenn ich mich recht entsinne) unter Holmes‘ gewohnten Eigenschaften zu fehlen, auch wenn er eine unbestreitbare Vorliebe für Alkohol und Tabak zeigte.
Sherlock Holmes ist genauso berechnend und aufmerksam, wie ihn die Leser kennen. Den ganzen Film über besticht er mit seiner unerreichten Auffassungs- und Beobachtungsgabe (»Sie werden sich sicher fragen, wo Sie sind und wer ich bin.« - »Zu Ihrer ersten Frage…«), die ihm auf einen Blick Geschehnisse offen darlegt, für die andere Ermittler weit mehr als eine ganze umfangreiche Untersuchung gebraucht hätten. Zudem plant er so detailliert und genau, wobei er gekonnt mit der menschlichen Psyche spielt und ihre Vorhersehbarkeit gekonnt ausnutzt, vor allem um Dr. Watson immer wieder zu überreden, an seinen Ermittlungen teilzuhaben, obwohl der sich bereits mehrfach verabschiedet hatte um seine künftige Frau aufzusuchen.
Die Beziehung zwischen Holmes und Watson ist ebenfalls ein Fall für sich. Beide Figuren sind einander gegenüber sehr förmlich und distanziert, aber dennoch zeigen sie auf sehr eindrucksvolle, darstellerische Art und Weise, dass sie doch ein engeres Verhältnis pflegen, als reine Partnerschaft (man erinnere sich nur an die Szene nach der großen Explosion) und dass sie nicht ohne einander auskommen könnten, obwohl zumindest Watson gegenteiliges zu behaupten versucht.
Storytechnisch steht die Geschichte meiner Ansicht nach den Romanvorlagen in nichts nach. Sie sind spannend, haben viele Indizien die im Laufe der Ermittlungen aufgedeckt werden und die Holmes zum Schluss der Reihe nach systematisch aufklärt. Der Fall, der Schurke und sein Vorgehen, die Indizien und die Vorgehensweise sind gut durchdacht und man kann sicher nicht behaupten, dass ein Amateur am Drehbuch war, der keine Ahnung von dem hatte, was ihm zu tun aufgetragen worden war. Eine solide Leistung dafür, dass die Geschichte komplett neu erdacht ist und nur einige Zitate und bildliche Erinnerungen aus diversen Romanvorlagen entnommen wurden.
Schauspielerisch wüsste ich auch nicht das Geringste auszusetzen. Robert Downey Jr. spielt so großartig, wie ich es von ihm erwartet hatte und wie man es auch von ihm aus
»Kiss Kiss Bang Bang« oder »Iron Man« kennt. Jude Law stand ich anfänglich noch kritisch gegenüber, was aber lediglich darauf zurückzuführen war, dass er so hoch gelobt wurde und ich ihn nur als gesichtslose Stimme von
»Lemony Snicket« und als Gastauftritt in
»Das Kabinett des Dr. Parnassus« kannte. Auch hier wurden meine anfänglichen Zweifel zerstreut, denn Law macht sich hervorragend als etwas aufmüpfigere Variante des Dr. Watson und ist im Enddefekt mindestens so sympathisch wie der Meisterdetektiv selbst.
Rachel McAdams, deren Gesicht mir doch sehr bekannt vorkam, dafür, dass ich sie offenbar nur kürzlich in »State Of Play« gesehen haben konnte, spielte Holmes‘ hinterhältige Geliebte im Rahmen der schauspielerischen Anforderungen ihres Kollegiums und erschuf mit ihrer Figur eine deutliche Umwandlung ihres im Roman vorgesehenen Zwecks. Aber Hollywood kann eben nicht ohne Love Story – auch wenn diese Beziehung sehr weit davon entfernt ist, als Love Story durchzugehen. Wer jetzt aber schon genervt mit den Augen rollt, dem kann ich versichern, dass das Schauspiel zwischen den Beiden eine Menge des Witzes ausmacht, den der Film u.a. prägt und zu keiner Zeit schnulzig wird (ja, nicht mal zum Schluss).
Ansonsten hätten wir lediglich noch in erwähnenswerter Form den Schurken, verkörpert von Mark Strong, den ich persönlich höchstens aus
»Der Mann, der niemals lebte« oder »Babylon A.D.« kennen könnte. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, mit irgendetwas verbinden konnte ich ihn nicht. Er mimte den Bösewicht ganz gut, wozu vor allem auch die bekannte deutsche Synchronstimme beitrug, schuf aber nichts sonderlich Eindrucksvolles.
Ansonsten hätten wir noch Eddie Marsan, der mich in seiner Rolle als Scotland Yard Inspector wirklich überraschte, wo ich ihn doch nur als Mitstreiter der bösen Seite kannte. So spielte er doch den Schurken in
»Hancock« und den bösen Pornoproduzenten in
»I Want Candy«… beachtlich, dass man ihn nun zum Polizeichef befördert. Fehl am Platz wirkt er dennoch nicht.
Wow, lange nicht mehr ein so ausschweifendes Review geschrieben, es geht schon auf drei Uhr morgens zu und ich bin immer noch nicht am Fazit angelangt.
Denn ein weiteres überzeugendes Element, war die Inszenierung von London. Die Stadt, wie sie im späten 19. Jahrhundert wohl gewesen war ist äußerst überzeugend dargestellt und der dunkle Schleier, den die Industrialisierung buchstäblich über ihre Dächer gelegt hat, lässt London noch düsterer wirken als Gotham City in
»Batman Begins«. Der Film hält aber wirklich einige äußerst eindrucksvolle Bilder bereit, besonders gefallen haben mir die Aufnahmen der im Bau befindlichen Tower Bridge.
Ich war verwundert, dass Guy Ritchie für die Regie verantwortlich war, verbindet man seinen Namen doch eher mit Filmen, die definitiv weit weniger Mainstream sind als »Sherlock Holmes«, man erinnere sich nur an »Snatch« oder »Revolver«. Vielleicht wollte der gute Mann doch endlich mit seinen Filmen Geld verdienen und ich denke, das wird ihm jetzt auch massiv gelingen. Ein besonderer Stil ist mir übrigens nicht aufgefallen, vielleicht hat er den auch an Mainstream angepasst.
Ich könnte den Film noch lange umschwärmen, aber es käme zum selben Ergebnis: Ein sehr kurzweiliger Actionkrimi mit einer Menge Spannung, toller Action, einer genau richtig portionierten Prise Humor und Figuren, die genauso genial geschrieben wie dargestellt werden. Der Film macht einfach Spaß und so viel man auch sucht, man findet wirklich nicht viel, was es daran auszusetzen gibt. Vor allem, dass man die Romanfigur in ihrem neuen, der Zeit angepassten Gewand vorführt ohne die markanten und liebgewonnen Eigenschaften ihrer Vorlage zu verlieren, verdient größten Respekt. Würde das nur auch so bei Videospielvorlagen funktionieren.
Bewertung:
Darsteller: 9/10
Plot: 7/10
Effekte: 8/10
Anspruch: 5/10
Gesamteindruck: 9/10