Cannibal Holocaust - Nackt und zerfleischt Review
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Genre: Abenteuer / Horror
Regie: Ruggero Deodarto
Darsteller: Robert Kerman, Francesca Ciardi
Gesehen auf: Deutsch
Erscheinungstermin: 16. Januar 1981
Inhalt:
Ein Filmteam macht sich auf in den Amazonas um eine Dokumentation über die letzten Kannibalen zu drehen, kehrt allerdings nie zurück. Ein Untersuchungsteam wird losgeschickt um den Verbleib der Crew aufzudecken und die gedrehten Aufnahmen sicherzustellen.
Kritik:
»Ich will Ihnen mal was sagen: Mein Sohn war ein Hurensohn!«
Ich komme immer noch nicht auf den Film klar, selten habe ich etwas derart widerwärtiges und abstoßendes gesehen, dass es mit jeder Minute verdient hat auf dem Indizierungs-Index gelandet zu sein. Eigentlich habe ich ja einen trashigen Splatter-Movie im Stil von 80er-Jahre B-Movies erwartet, abgeliefert bekam ich dann allerdings den wohl ersten Film im Stil von »Blair Witch Project«. Zumindest teilweise in dem Stil, denn den ganzen Film so zu drehen hatte man sich zu dem Zeitpunkt offenbar noch nicht getraut.
Was aber nun so abstoßend war, dass es mir gar nicht mehr aus dem Sinn will, ist die Tierquälerei. Während des Drehs sind sieben Tiere in Nahaufnahme vor der Kamera getötet worden, sechs davon haben es in den fertigen Film geschafft. So sieht man beispielsweise wie ein Schwein wiederholt getreten und anschließend erschossen wird und die anschließend noch zuckenden Beine lassen allein schon keinen Zweifel daran, dass es sich um ein echtes Tier handelte. Im Weiteren sieht man u.a. noch einen kleinen Affen, der geköpft wird (hier ist auch das siebte Opfertier zu verbuchen, da die Szene wiederholt gedreht werden musste), eine große Spinne und eine Schlange, die von einer Machete getötet werden, und das in meinen Augen schlimmste Verbrechen innerhalb des Films und die mit Abstand widerwärtigste Szene, als die Darsteller vor laufender Kamera eine über drei Fuß lange Schildkröte aus dem Wasser ziehen, köpfen, ausweiden und anschließend verspeisen. Diese Szene geht weit über eine Minute hinaus und bereitete selbst einem abgehärteten Mistkerl wie mir gewisse Probleme. Ich konnte nicht fassen, dass es sich tatsächlich um echte Tiere handelte und überlegte die ganze Zeit über, ob es damals tatsächlich schon möglich war, derart genaue und detaillierte Attrappen herzustellen, doch als ich die flüssigen Innereien sah und wie sie noch am Inneren des Panzers klebten, zusammen mit den zahlreichen Aufnahmen der noch zuckenden Gliedmaßen, war mir spätestens klar, dass es sich nicht um Attrappen handeln konnte, sondern um widerwärtige, bestialische Realität. Die Produzenten verteidigten sich im Nachhinein damit, dass die Tiere nicht umsonst gestorben seien, sondern von der ortsansässigen Crew tatsächlich verspeist worden sind (Affenhirn sei dort eine Spezialität). Na dann ist es ja halb so wild.
Zu der unfassbaren Brutalität gegenüber wehrlosen Tieren kommt noch die Gewaltdarstellung zwischen den Menschen hinzu, die mehrfache, brutale Vergewaltigungen umfasst, das Herausreißen eines Embryos aus der Gebärmutter einer nackten Schwangeren, die man anschließend hinrichtete, nachdem das ungeborene Kind im Schlamm vergraben wurde. Jetzt denkt man natürlich in allen Punkten an die Darstellung der wilden Kannibalen, doch der Film brüstet sich damit, dass Wilde nicht nur im Dschungel leben und dass die Dämme der Zivilisation so leicht zu brechen sind. Das rührt daher, dass die Aufnahmen des Filmteams wieder einmal zeigen, was für Bestien Menschen doch sein können, als die drei involvierten Männer sich auf eine hilflose Eingeborene stürzen und sie hemmungslos vergewaltigen oder wie sie ein gesamtes Eingeborenendorf in einer Strohhütte zusammentreiben und diese dann anzünden um aufsehenerregende Aufnahmen in den Kasten zu kriegen.
Man will damit die Sensationsgeilheit der Massenmedien an den Pranger stellen, doch auch, wenn das auf diesem Weg wohl gut gelingen könnte, so wird man doch viel zu sehr von der sinnlosen und furchtbaren Gewalt gegenüber der Tiere von allem anderen abgelenkt. Ich war tatsächlich so fassungslos darüber, dass ich die letzte halbe Stunde nur noch entsetzt dasaß und zuschaute, wie man noch mehr Brutalitäten einbaute. Regisseur Deodato wurde sogar verhaftet und vor Gericht gestellt, weil ihm vorgeworfen wurde, echte Menschenleichen beim Dreh benutzt zu haben (speziell in der Szene mit der gepfählten Frau). Dies stellte sich als Fehlinformation heraus, doch ich kann es den Anklägern nicht verübeln so gedacht zu haben und den Streifen für einen Snuff Film gehalten zu haben, obgleich ich gewisse Ausmaße an Anschuldigungen auch wieder als lächerlich empfinde, wie der Gedanke, dass die Hauptdarsteller beim Dreh tatsächlich ermordet worden wären.
Gut, der Film hat tatsächlich eine Handlung, die sogar recht überzeugend ist (auch wenn sie die wirklich existierende Stämme völlig falsch darstellen und somit eine rassistische Bahn einlenken), er hat, wie erwähnt, auch eine Botschaft und Moral, aber nichts desto trotz wird in meinen Augen alles davon überschattet, welche Verbrechen begangen und welche Tabus gebrochen werden musste um das zu erreichen.
Die Szenen aus Sicht der Handkamera im Dokumentationsstil waren allerdings wirklich gelungen und vor allem bei deren Ende fühlte ich mich sehr an »Blair Witch Project« oder auch »[Rec]« erinnert und womöglich hätten sie auch eine ähnliche Gänsehaut erzeugt, wenn sie nicht von „normalen“ Aufnahmen unterbrochen worden wären. Offenbar war man damals tatsächlich noch nicht bereit für diese Art von Film. Jedoch traurig mit anzusehen, was in dieser Zeit stattdessen möglich gewesen ist.
Der Film bietet nicht unbedingt viel Splatter, jedoch eine Menge schamloser Gewalt und jeder Menge schamvoller Schamhaare, die immer wieder ins Bild gehalten werden, wenn sich die Darsteller entblößen um gerade mal wieder jemanden zu vergewaltigen oder wenn sie einem perversen Ritual zum Opfer fallen, was auch auf nicht viel mehr als Vergewaltigung hinausläuft.
Gravierend und empörend ist für mich nach wie vor, dass tatsächlich Tiere vor laufender Kamera ermordet worden sind und dass man keine unerhebliche Drehzeit mit dem Quälen und Ausweiden dieser verbracht hat.
Im Review zum schlechtesten Film aller Zeiten,
»Toxic Avenger IV«, schrieb ich gegen Ende, dass der Film vielleicht an sich nicht mal diesen Titel verdiente, aber doch entschieden für alles steht, was nie aus einem Film hätte werden sollen. Nun, immerhin wurden in dem Film keine Tiere geschlachtet und an die Filmcrew verfüttert, was vielleicht nur damit zusammenhängt, dass Affenhirn außerhalb des Amazonas nicht unbedingt als Delikatesse gilt. Wenn ich mir »Cannibal Holocaust« anschaue, dann sehe ich, welche Tabus selbst der hemmungslose
»Toxic Avenger IV« nicht zu brechen wagte. Ruggero Deodato hat sich mit seiner Tierquälerei ein Eigentor geschossen, denn ansonsten hätte der Film wirklich gelungen werden können. Nicht nur, dass er eben den Grundstein für Filme wie »Blair Witch Project« legte, auch war er ohne die unnötigen Tieropfer schockierend und brutal genug, was aber alles schlichtweg dadurch überschattet wird, dass er die Zuschauer derart schockieren musste.
»Nackt und zerfleischt« lautet der deutsche Titel des Films und obwohl es eher eine Untertreibung ist, die sogar noch Tash-Humor erwarten lässt (ich erinnere an
»The Cook – Es ist hingerichtet«), trifft sie, was nach dem Ansehen vom Film übrigbleibt doch sehr genau.
Bewertung:
Darsteller: 6/10 (B-Movie, aber dafür erstaunlich überzeugend)
Plot: 6/10
Effekte: 2/10 (man ermordet lieber echte Tiere, als sich mit billigen Effekten abzugeben)
Anspruch: 3/10
Gesamteindruck: 1/10 (es gibt Dinge, die man nicht tut, und solche Dinge sollte man auch nicht noch stolz mit vorgehaltener Kamera praktizieren)